Fasnacht in den MARTHA-Dörfern

Allgemeines

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, findet der Brauch des "Mullen und Matschgern" auch in ähnlicher Ausführung in den übrigen MARTHA-Dörfern statt. Als MARTHA-Dörfer werden jene Orte bezeichnet, die sich auf dem Weg von Innsbruck nach Hall am Fuße der Nordkette befinden. Diese sind: Mühlau, Arzl, Rum, Thaur und Absam. Jeder Ort hat etwas ganz Besonderes in seiner Fasnacht, auch wenn es nicht für jedermann gleich und sofort zu erkennen ist. Wenn man genau hinschaut, sind jedoch teilweise sogar sehr große Unterschiede zu erkennen:


Die Mühlauer Muller

Mühlauer Muller

Das erste der MARTHA-Dörfer ist Mühlau. Wie jedes Dorf, so sind auch die Mühlauer auf ihre Tradition stolz, hegen und pflegen ihr Brauchtum, so auch die Mullerei. Zum Ausrücken gibt es viele Möglichkeiten: Veranstaltungen in Mühlau selbst und auch Einladungen zu Bällen nach Innsbruck; natürlich auch wenn irgendwo ein großer Umzug stattfindet. Gemullt wird in Mühlau von den "Hl. Drei Königen" bis zum Fasnachtsdienstag, bei dem ein Kehraus die Fasnacht abschließt.

Die Figuren sind der Vorläufer, ein Weißer mit aufgenähten, gehäkelten Flecken und ohne Weidenrute, er ist immer der erste Muller. Hinter ihm folgen die Melcher und die Spiegeltuxer. Dann kommt schon der Zaggeler, den man sowohl mit weißen als auch mit schwarzen Gockelfedern sieht. Der Zottler hat hat Woll- oder Rupfenfransen und meist ein sehr großes Rad, welches oft aus Karton oder Holz ist, auf das dann die Federn aufgenäht oder aufgeklebt werden. In der Mitte befindet sich ein Spiegel mit Zierrat rundherum.

Die Mullerei selbst unterscheidet sich sehr von denen der anderen MARTHA-Dörfern. Das "Einitrestern" haben sie mit den Rumer und Arzler Mullern gemeinsam. Alle Muller kommen hintereinander in den Saal, dann beginnt das eigentliche Mullen. Jede der Figuren führt ihre typischen Bewegungen aus. Auch der Frosch ist immer wieder zu sehen. Es folgt dann nach dem Mullen ein Plattler der Melcher und Tuxer, während die anderen Muller in einem Kreis rund um die Plattler knien. Anschließend gibt es den Freitanz, bei dem der Muller ein Mädchen holt und einen Walzer tanzt. Dann wird bei den Mühlauern wieder geplattelt, jedoch diesmal ohne Larve. Die Melcher und Tuxer legen ihre Larve in die Mitte ihres Kreises und machen noch einen Plattler. Zum Schluss wird mit der Larve auf der Schulter hinausgetrestert in der Reihenfolge, wie sie den Saal betreten haben.

Wie man sehen kann, ist das Mullen der Mühlauer anders und doch sieht man wieder die Verbindung zu den anderen MARTHA-Dörfern. Und so bleibt nur zu hoffen, dass sich das Mullen in Mühlau halten kann und nicht durch die städtische Umgebung langsam verschwindet.


Die Arzler Muller

Mühlauer Muller

Wie lange in Arzl bereits der Fasnachtsbrauch der Muller existiert, kann heute niemand mehr sagen. Aber solange man sich erinnert, hat es in Arzl immer Muller gegeben.

Im Gegensatz zu Thaur zum Beispiel hat das Dorf auch heute noch viele Mullerhäuser, die man in der Fasnacht zwischen den "Hl. Drei Königen" und dem Fasnachtsdienstag zweimal in der Woche aufsucht und dabei eifrig in den Hausgängen der Bauernhäuser mullt und mit den anwesenden Mädchen und Frauen tanzt. Auch wenn einmal ein Haus verschlossen bleibt, öffnet ein anderes Haus die Tür für die Muller.

Nach dem 2. Weltkrieg hat sich speziell der Zottler immer wieder verändert. Nicht nur Rupfen-, auch Seiden- und später Wollfransen wurden für sein Gewand verwendet. Auch die Räder der einzelnen Masken wurden überdimensional gemacht, wobei man heute immer wieder kleinere Räder sieht, da auch in den Hausgängen der Mullerhäuser nicht soviel Platz ist. Die typischen Arzler Mullerfiguren sind der "Vorläufer, Melcher, Zaggeler, Zottler und der Spiegeltuxer", den man jedoch nur bei Umzügen sieht. Eine typische Ur-Arzler Figur war der "Fleckler", der aber nicht mehr zu sehen ist. Wie fast überall beginnt die Fasnacht am Donnerstag oder Sonntag nach den "Hl. Drei Königen" und endet am Fasnachtsdienstag mit dem Fasnachtseingraben, bei dem nicht nur getrauert wird, sondern auch Geschehnisse im Dorf, die für Gesprächsstoff sorgten, auf lustige Art und Weise interpretiert und aufgeführt werden. An den Donnerstagen und Sonntagen in der Fasnacht treffen sich die Mullergruppen, die aus ungefähr 7 bis 10 Mullern bestehen, beim Gruppenführer, und sie gehen dann von einem Mullerhaus zum anderen. So kann es schon vorkommen, dass an einem Abend bis zu drei Mullergruppen unterwegs sind. Der Vorläufer trestert in da Haus, der Melcher, Zaggeler und Zottler folgen ihm. Die "Mullerschauger" (= Muller-Zuseher) erhalten einen Fruchtbarkeitsschlag, und dann werden die ersten Tänze absolviert. Es folgt ein Plattler der Melcher und nach 20 Minuten geht man dann zur nächsten Mullerei. Begonnen wird im Arzler Oberdorf, dann kommt man zur Arzlerstraße und schließlich endet die Mullerei im Cafe Onkel Toms Hütte. In Arzl gibt es keinen Mullerverein, es wird einfach jemand bestimmt, meistens der Älteste, der sich dann um das Nötige kümmert. Die Besonderheit der Arzler Fasnacht ist wohl, dass nicht nur Männer in die Fasnacht gehen, sondern auch die Weiblichkeit nicht ausgeschlossen ist. Zwar nicht mit den traditionellen Mullern, aber in Gruppen, die sich als "Paarlen" verkleiden, wird von Haus zu Haus gezogen und für Stimmung gesorgt. Dies ergibt einen Kontrast zu den Mullern und dadurch wird die Fasnacht sehr belebt. Den fantasievollen Kostümierungen sind keine Grenzen gesetzt. So hofft man auch in Arzl, das am Rande von Innsbruck liegt, dass die Tradition im Spannungsfeld Dorf und Stadt weiterhin bestehen kann, und dass man die Arzler Muller noch lange sehen wird.


Die Rumer Muller

Mühlauer Muller

In Rum beginnt die Fasnacht am Samstag nach den "Hl. Drei Königen", also nach dem 6. Jänner. Am Fasnachtsdienstag, dem letzten Tag der Fasnacht in Rum, wird dann die Fasnacht eingegraben.

Die Rumer Muller unterscheiden sich von den anderen Mullern und Matschgerern in vielerlei Hinsicht. Nicht unbedingt in der Kostümierung, jedoch in ihrem Auftritt, in ihrer Mullerei. Wie in jedem Dorf werden auch in Rum die eigenen Bräuche und Traditionen sehr ernst genommen.

Die Rumer Mullerfiguren sind der "Halbweiße, der Melcher, der Spiegeltuxer, der Zaggeler, der Zottler, der Klötzler und die Hexen". In Rum dürfen bei der Froschfigur nur die Halbweißen den Zottler besteigen und besiegen, denn nur der Frühling und nicht der Sommer (Melcher, Spiegeltuxer) kann den Winter vertreiben. Da ist auch schon ein weiteres Merkmal der Rumer Spiegeltuxer. Während in Thaur der Melcher, Weiße und Spiegeltuxer den Frühling verkörpern, ist der Rumer Halbweiße der alleinige Vertreter des Frühlings. Das ist auch im Auftritt der Rumer leicht zu erkennen. Er erfolgt in der Reihenfolge der Jahreszeiten. Die Hexen und Klötzler eröffnen die Mullerei, dann die Halbweißen, also der Frühling, der Sommer mit dem Melcher und Spiegeltuxern, der Zaggeler als Herbst und der Zottler, natürlich den Winter darstellend. Alle Figuren trestern in der gleichen Art in den Saal oder Raum hinein. Erst nach dem Auftanz, dem Plattler der Melcher und Spiegeltuxer, darf abgemullt werden, weiters wird ebenfalls ein Freitanz getanzt. In der Art und Weise, wie sie den Sal betreten haben, verlassen sie ihn auch wieder.


Die Absamer Matschgerer

Mühlauer Muller

Die Absamer Fasnacht unterscheidet sich sehr grundlegend von den anderen MARTHA-Dörfern. Bereits auf den ersten Blick sieht man die Unterschiede der einzelnen Figuren und deren Bewegungen. Diese Unterschiede sich auch immer wieder Mittelpunkt der Gespräche und Diskussionen der Thaurer und Absamer, denn man streitet sich, welche nun die richtige Form des Mullens ist. Man wird jedoch nie auf eine Antwort kommen, denn Absam ist eben Absam, und Thaur ist Thaur. So werden die Absamer Zottler immer mit ihren braunen Wachsfransen oder ganz schwarzen Wollfransen und ihrer Zottelpeitsche matschgern gehen. Die Figuren Klötzler, Fleckler und Flitscherler sind typisch für Absam, denn sie tragen keinen Filzhut und die "Fleckln" und "Flitschn" gehen bis zum Hut. Alle diese Figuren haben eine Weidenrute in der Hand. Diese Pflanze spielt in der Fasnacht eine besondere Rolle, man vermutet als Symbol des Wachstums, da die Weiden im Frühjahr als erste ihre Knospen zeigt. Auch die Hiatl- und Spiegeltuxer sind vollkommen anders. Der Spiegeltuxer hat seine Federn Richtung Boden aufgenäht, der Hiatltuxer hat seine zwei Hahnenfedern oben zwischen dem Spielhahnstoß herausragen.

Der Absamer Bock, das Fasserrößl und auch die Bären sind immer wieder dabei, wobei auffällt, dass hier fast alle Figuren eine Larve tragen. Ein Unterschied liegt auch noch im Namen. "Matschgerer wollen sie genannt werden und ja nicht anders". Matschgerer kommt von Maske-Maskerer und ist in einem Schreiben 1822 das erste Mal in Absam erwähnt worden.

So haben alle Muller und Matschgerer ihre eigenen Sitten und Bräuche und die werden natürlich immer besonders stark hervorgehoben, um sich von den übrigen MARTHA-Dörfern zu unterscheiden. Am besten sieht man die Unterschiede, wenn man sich einfach einmal alle Gruppen ansieht und dann sein Urteil darüber fällt.

Quelle: Buch "Die großen Fasnachten Tirols"

Fotos

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